Ein radikaler Rationalist
Ausstellung Manfred Mohr in der Galerie Mueller
Manfred Mohr ist ein Pionier der Digitalen Kunst. Beeinflusst von den Schriften Max Benses entscheidet er sich nach einer kurzen Phase als Aktionsmaler und Jazzmusiker als einer der ersten für eine Kunst, die nur noch an Logik und Präzision orientiert ist. In den 60er Jahren entstehen Bildtafeln, die Symbole ähnlich denen aus elektronischen Schaltplänen variieren, deren Auswahl und Verknüpfung aber noch unter rein subjektiven Gesichtspunkten erfolgt.
In dieser Zeit entdeckt Manfred Mohr auch für sich den Hypercubus und damit die Möglichkeiten einer generativen Kunst. Über mehrere Jahrzehnte untersucht er die Interaktionen von Linien, die einer räumlichen Logik von mehr als drei Freiheitsgraden folgen. Dafür werden Computerprogramme eingesetzt, die wert- und emotionsfrei ungeahnte Konstellationen anbieten. Auf diesem Wege kommt Mohr zu einem grossen Fundus von Bildkompositionen, die belegen, dass selbst einfache Regeln und wenige Parameter komplexe Prozesse hervorbringen und unterhalten können. Es handelt sich dabei um keine variierten Anordnungen oder Permutationen, sondern um Interaktion von hyperdimensionalen Tiefenperspektiven, die beispielsweise bei einer Werkserie zum sechsdimensionalen Würfel 23.040 potentielle Diagonalwege aufzeigen. Von Manfred Mohr werden solche Konstellationen exemplarisch auf quadratischen Bildtafeln mit schwarzen und grauen Linien in strenger Geradlinigkeit festgehalten. Die eigentliche Würfelarchitektur ist nur noch als Ausschnitt zu sehen. So wird die Imagination des Betrachters von dem mathematischen Konstruktionsprinzip Hyperwürfel zu rein visuellen Strukturen, einer blossen Abstraktion von Rechen- prozessen hingeführt.
Obwohl in ihrer Komplexität schwer durchschaubar, sind uns solche Visualisierungen nicht mehr fremd. In einer Zeit, da die Orientierung mehr durch eine oszillierende Medienwelt und durch bizarre Datenstrukturen bestimmt wird, gehen ästhetische Erfahrungen über die drei Dimensionen der körperlichen Erfahrungswelt längst hinaus. Mohrs Bilderwelten stellen insofern ästhetische Paraphrasen zum Überbau einer global vernetzten Zivilisation dar. Die gezeigten Potentiale sind inzwischen zu einem Labyrinth geworden, in dem sich eine selbst organisierende Kreativität immer wieder neu simulieren kann.
Als radikaler Rationalist ist Manfred Mohr über 40 Jahre seiner Suche nach einem Hyperprogramm der Wahrnehmung treu geblieben. Auch in seinen neueren farbigen Würfelprojektionen insistiert er auf eine "rationale Herstellung von Kunst" und damit auch auf eine Ästhetisierung von Informationsstrukturen.
Kunstforum - 29. Sep, 01:23